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Einen wunderschönen guten Morgen,

der Tag verspricht herrlich zu werden!

Nein, es geht hier heute nicht um die Causa Schilling. Ich gebe aber zu, dass der Standard die Grünen abschießt und Vilimsky und Krone die 23-Jährige Spitzenkandidatin verteidigen, hatte ich nicht auf meiner Bingo-Karte für 2024.

Aber es hilft ja alles nichts, bitte lesen Sie das jetzt, verschicken Sie es.

Wir müssen reden.


Eine Umfrage des Guardian (LINK) unter Klimawisschenaftlern des Weltklimarates zeigt, dass 80 Prozent davon ausgehen, dass die internationale Klimapolitik versagen wird und die globale Durchschnittstemperatur in diesem Jahrhundert um mindestens 2,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau ansteigen wird. Fast die Hälfte rechnet sogar mit einem Anstieg von mindestens 3 °C.

Leider ist es bei uns so, dass schon das Wort „Weltklimarat“ viele Menschen triggert, nicht mehr weiterzulesen, weil das auch nur irgendwelche „Meinungen“ sind, gleichwertig mit „Meinungen“ von Politikern oder irgendwelchen Typen auf Sozialen Medien, die bestenfalls ein Buch darüber gelesen haben, meistens aber nicht einmal das.

Unsere Ohnmacht angesichts der bekannten Tatsachen rührt aus dem Umstand, dass keine Regierung alleine hier etwas lösen kann. Große Beschlüsse der UNO-Staaten wie in Paris 2015 oder Dubai 2023, die Emissionen zu reduzieren, sind richtig, aber im Vergleich zur Aufgabe eben viel zu wenig ambitioniert


Mehr noch, in den westlichen Industriestaaten stehen inzwischen sogar beschlossene Maßnahmen täglich in der Kritik, man würde so die Wettbewerbsfähigkeit seines Landes vernichten und das Land selbst de-industrialisieren.


Ein Beispiel:  Deutschlands CDU/CSU hat sich gerade ein neues Grundsatzprogramm gegeben (LINK). Bei der CSU steht da jetzt (Seite 2): „Das von den europäischen Ampel-Parteien im EU-Parlament beschlossene Verbrennerverbot ab 2035 bedroht unsere Industrieführerschaft. Wir stehen für Technologieoffenheit und Innovationen statt ideologischer Verbote. Für uns ist klar: Dieses Verbot muss abgeschafft werden. Wir wollen den modernen Verbrennungsmotor – betrieben mit klimaneutralen Kraftstoffen – als Spitzentechnologie erhalten. Ebenso klar stellen wir uns gegen die Einführung eines Tempolimits, wie es die Grünen in ihrem Europawahlprogramm fordern.“


Und ja, die ÖVP fordert im Grunde das gleiche. 

Wie verrückt das ist, zeigen geplante Regelungen (LINK) in der EU zum Carbon Removal, also zur Frage, wie wir das Treibhausgas CO2 wieder aus der Atmosphäre holen, durch Maßnahmen wie technisches Ausfiltern (Direct Air Capture) und Verpressen (Carbon Capture Storage), oder das Binden von CO2 in Wäldern oder in Böden, und wie diese Aktivitäten gewertet und irgendwann auch finanziell vergütet werden sollen.


Es ist also allen klar, dass wir schleunigst, um den Klimawandel aufzuhalten, die CO2-Konzentration in unserer Luft senken müssen. Gleichzeitig werden aber alle möglichen Maßnahmen torpediert, die verhindern wollen, dass wir noch mehr CO2 rausblasen.

Die weltweit steigenden Temperaturen sind ein großes Problem für uns Menschen und die Menschheit an sich, aber die Hölle für alle anderen Lebewesen auf der Erde. Die Erdhummel kann keine Klimaanlage andrehen, sie stirbt einfach. Deswegen spricht die Wissenschaft längst vom sechsten großen Massensterben auf der Erde, das fünfte war der Kometeneinschlag in Mexiko von 65 Millionen Jahren, der zum Aussterben der Dinosaurier geführt hat.

Also geht es heute um die Frage, was das heißen würden, eine um 3°C wärmere Welt.


Stephan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, Fachrichtung Erdsystemanalyse, hat in einem längeren Beitrag versucht darzustellen, wie eine um 3°C wärmere Erde bei uns (konkret Deutschland) aussehen wird. Der Beitrag trägt den Titel: „Eine Erde, wie wir sie nicht kennen (wollen)“. (LINK)

  • 3°C wärmer war es auf Erde zuletzt im Pliozän vor drei Millionen Jahren, als unsere Australopitheci-Vorfahren noch auf Bäumen lebten.

  • Die moderne Erwärmung ist etwa zehn Mal schneller als die natürliche Erwärmung von der Eiszeit bis zur Jetzt-Zeit (Holozän seit 12.000 Jahren, eigentlich sind wir inzwischen im Anthropozän).

  • Die gegenwärtige Erwärmung wird zehntausende Jahre anhalten, es sei denn, es gelingt aktiv gigantische Mengen an CO2 wieder aus der Atmosphäre zu holen.

  • Bei einer 3°-Welt werden die (durch die „Milankovich-Erdbahnzyklen“) natürlichen, alle fünfzigtausend Jahre wiederkehrenden Eiszeiten ausbleiben, und das für mindestens 500.000 Jahre.

  • Eine 3°C wärmere Erde heißt für unsere Breiten, in Deutschland aber eben auch in Österreich, plus sechs Grad (weil der Großteil der Erwärmung (noch) von den Ozeanen abgefangen wird, und wir ein kontinentales Klima haben). Wer jetzt auf herrlich mediterranes Klima hofft, versteht die Implikationen eines völlig neuen Klimas bei uns zu wenig.  Siehe Climate Change Center Austria-Factsheet LINK). 

  • Hitzewellen bei uns sind dann nicht bei 40°C, sondern gehen Richtung 45°C, „oder sogar mehr“. Wir werden mehr und mehr Hitzetote erleben, weil der menschliche Körper sich ja konstant auf 39°C kühlen muss. Mit der Hitze steigt aber auch die Luftfeuchtigkeit, weil ja alles verdunstet und die Böden beschleunigt austrocknen. Je höher die Luftfeuchtigkeit, desto schlechter kann sich der Körper durch die Verdunstung von Schweiß kühlen und desto schneller sind wir bei der für Menschen tödlichen Kühlgrenztemperatur von 35°C. Das geschieht weltweit bisher selten, kommt aber vor. Rahmstorf erwähnt, dass Arbeiter in Katar nicht mehr zwischen 10 und 15:30 im Freien arbeiten dürfen.

  •  Insgesamt nehmen Niederschläge weltweit mit der Erwärmung zu, weil die Verdunstungsrate von den Ozeanen um rund 3 Prozent pro Grad ansteigt. Fast die gesamte Zunahme kommt allerdings in Starkregenereignissen vom Himmel, für die es auf die Wasserdampfmenge in gesättigten Luftmassen ankommt, die um 7 Prozent pro Grad Erwärmung zunimmt – also rascher als der Wassernachschub durch Verdunstung. Dadurch nimmt Starkregen zu, Tage mit geringem Niederschlag nehmen tendenziell ab und Perioden ohne Niederschlag werden länger. Insgesamt nehmen daher sowohl Starkregenereignisse als auch Dürreperioden zu.

  • Rahmstorf nennt dann diverse Extremwetterereignisse der letzten Zeit für Deutschland (Ahrtal 2021, Braunsbach 2016, Hochwasser 2015 und 2002). Für Österreich heißt es hier (LINK): "Für die Ereignisse Sturm, Starkregen und Starkschneefall gab im Jahr 2023 die Geosphere Austria 187 Mal eine rote und 12.291 Mal eine orange Warnung für eine Gemeinde Österreichs aus. Insgesamt gab es 2023 somit 12.478 Warnungen der zwei höchsten Warnstufen. „Fast jede Gemeinde war von einer Wetterwarnung betroffen“, sagte Andreas Schaffhauser, wissenschaftlicher Generaldirektor der Geosphere Austria.  

  • Aktuelle Forschung deute darauf hin, dass die Persistenz, also die Andauer bestimmter Wetterlagen, in den letzten Jahrzehnten in großen Teilen Europas zugenommen hat. So wird aus einigen heißen Tagen eine gesundheitsgefährdende Hitzewelle oder aus einer trockenen Phase eine anhaltende Dürre. Diese zunehmende Persistenz wird auf eine Verlangsamung der allgemeinen Westwindzirkulation einschließlich des Jetstreams im Sommer zurückgeführt.

  • Ein Albtraumszenario mancher Klimaforscher ist eine gleichzeitige Dürre mit Ernteausfällen in den großen Kornkammern der Nordhalbkugel im Westen Nordamerikas und Russlands, in Westeuropa und der Ukraine. Schon in der Dürre- und Brandkatastrophe im Sommer 2010 hat Russland den Export von Getreide wegen der Ernteausfälle eingestellt, was die Preise bei den Abnehmern in Nordafrika massiv in die Höhe trieb und damit zum »Arabischen Frühling« beigetragen hat, der sich auch an hohen Brotpreisen entzündete.

  • Die Erderwärmung lädt tropische Wirbelstürme mit zusätzlicher Energie auf – denn ihre Zerstörungskraft ziehen diese Stürme aus der im oberen Ozean gespeicherten Wärmeenergie. Inzwischen ist eine echte klimatische Zunahme der Tropensturmstärken in den Daten nachweisbar. Der aktuelle IPCC-Bericht konstatiert erstmals, dass der Anteil besonders starker Tropenstürme (Kategorien 3 bis 5) zugenommen hat.

  • Der Meeresspiegel war im Pliozän vor drei Millionen Jahren zwischen 5 und 25 Meter höher als heute, am Höhepunkt der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren um 120 Meter niedriger. Wenn alles Eis schmilzt (was auch bei einem Turbo-Klimawandel hunderte Jahre dauern würde!), würde der Meeresspiegel um etwa 65 Meter steigen.

  • Bislang stieg der Meeresspiegel seit dem späten 19. Jahrhundert um etwa 20cm, was an manchen Küsten bereits Probleme verursacht. 130 Millionenstädte liegen an der Küste. Aber eben auch zB Atomkraftwerke, die mit Meerwasser gekühlt werden. Stichwort Fukushima (nach einem Tsunami, der natürlich nix mit der Klimaproblematik zu tun hat).

  • Rahmstorf erwähnt dann  die äußert komplizierte und komplexe Situation um Kipppunkte beim Abschmelzen der Kryosphäre („ewiges Eis“). „Im Endergebnis wird der globale Meeresspiegel durch den Verlust des Grönlandeises um 7 Meter ansteigen. Dieser Kipppunkt liegt wahrscheinlich irgendwo zwischen 1 und 3 Grad globaler Erwärmung.“ Anders, aber in der Auswirkung natürlich ähnlich, verhalte es sich beim Westantarktischen Eisschild, hier gehe es Schmelzwasser, das zu 3 Meter Meeresanstieg führen wird.

  • (Und nein, das Schmelzen des Eises am Nordpol führt nicht zu einer Zunahme des Meeresspiegels, weil das Eis am Meer schwimmt. Gleicher Effekt wie beim Glas mit Eiswürfeln, das geht beim Schmelzen auch nicht über.)

  • Neben den physikalischen Kipppunkten gibt es ökologische, wie hier in der Grafik angegeben. Bei all diesen Kipppunkten besteht ein Risiko, dass sie bei 3 Grad Erderhitzung überschritten werden. Bei einigen, wie dem Grönlandeis und dem Westantarktischen Eisschild, ist dies sogar sehr wahrscheinlich, bei der sommerlichen Meereisdecke der Arktis und den Korallenriffen der Erde sogar sicher.

Einige der wichtigsten Kippelemente des Klimasystems. Die Pfeile deuten auf Wechselwirkungen hin, wodurch die Teilsysteme sich gegenseitig zum Umkippen bringen könnten.

  • Aktuell im Brennpunkt der Forschung, schreibt Rahmstorf weiter, ist das Risiko einer Kaskade von Kipppunkten, die sich wie Dominosteine gegenseitig auslösen. So könnte die Eisschmelze im Nordpolarmeer und auf Grönland das Nordatlantikwasser soweit mit Süßwasser verdünnen, dass die Atlantikzirkulation, also unser Golfstrom, der Wärme nach Europa bringt, zum Versiegen gebracht wird.

  • Dies wiederum würde die tropischen Niederschlagsgürtel verschieben und könnte Teile des Amazonaswaldes sowie die Monsune destabilisieren. Und als sei dies nicht genug, könnte dies die Eisschilde der Antarktis über ihren Kipppunkt treiben. Eine quantitative Einschätzung dieser Risiken sei bislang aber noch nicht möglich.

Was ist das Fazit?

Ohne sofortige, entschiedene Klimaschutzmaßnahmen könnten bereits meine Kinder, die derzeit das Gymnasium besuchen, eine 3 Grad wärmere Erde erleben. Niemand kann genau sagen, wie diese Welt aussehen würde – zu weit wäre sie außerhalb der gesamten Erfahrung der Menschheitsgeschichte. Doch ziemlich sicher wäre diese Erde voller Schrecken für die Menschen, die sie erleben müssten. Wetterchaos mit tödlichen Hitzewellen, verheerenden Monsterstürmen und anhaltenden verbreiteten Dürren, die weltweite Hungerkrisen auslösen könnten. Steigende Meeresspiegel, die unsere Küsten verwüsten, umkippende Ökosysteme, verheerendes Artensterben, brennende und verdorrende Wälder, versauerte Ozeane. Failed States, riesige Menschenzahlen auf der Flucht.“


Und der Forscher schließt: „Was Hoffnung macht, ist, dass diese 3-Grad-Welt kein unvermeidliches Schicksal ist. Noch ist es sogar möglich, die Erwärmung auf nahe der 1,5-Grad-Marke zu begrenzen – was 2015 in Paris von allen Ländern einstimmig beschlossen wurde und wozu hierzulande fast alle Politiker Lippenbekenntnisse abgeben. Die weltweite Klimapolitik macht durchaus Fortschritte (..) Um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, muss die Welt endlich in den ernsthaften Krisenmodus schalten, wie die jungen Menschen von Fridays for Future völlig zu Recht einfordern. Klimaschutz muss dazu die höchste Priorität bekommen.“

Dafür, bin ich mir sicher, haben wir aktuell nicht überall das richtige politische Personal, aber auch zu wenige Medien, die das Thema in den Fokus rücken.


Kann ja noch werden, nicht wahr?

Denn ich hoffe nicht, dass wir erst handeln, wenn wir massiv persönlich von Auswirkungen der Klimakrise getroffen werden.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen dennoch einen schönen Sonntag,

bleiben Sie gesund! 


Ihr Bernhard Gaul

KURIER Innenpolitik

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