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Ein neuer Entwurf für das Abschlussdokument ist da
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Guten Morgen, 

Einen schönen guten Morgen aus Dubai

Heute ist der Jahrestag des Klimaabkommens von Paris, und COP-Präsident Sultan Al Jaber würde wirklich sehr gerne acht Jahre später auch so einen Erfolg feiern.  

Heute ist also offiziell der letzte Tag der 28. Klimakonferenz in Dubai. Das lange Warten hat ein Ende – vom Sonntag gab es nichts zu berichten, außer dass die Präsidentschaft alle möglichen Mediationstechniken angewandt hat, die es so gibt, inklusive einer arabischen Madschlis, das ist eigentlich auch nur ein Sitzkreis.

Dann die „Erlösung“: Montagnachmittag kam seitens der emiratischen Präsidentschaft ein neuer Vorschlag für einen Schlusstext. Das 21-seitige Dokument (hier der Link zum .pdf) wurde verspätet und nach unzähligen Konsultationen seitens des Gipfelpräsidenten mit den Delegationen aus aller Welt erstellt.

Der Text beinhaltet folgende Punkte: 

- Er sieht keinen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas mehr vor, wie das in vorherigen Entwürfen auch nur als Möglichkeit gesehen wurde, jetzt ist nur von einer Reduzierung bei Verbrauch und Produktion fossiler Brennstoffe die Rede.

So befremdlich das auch ist – es ist das erste Mal in 28. Klimakonferenzen, dass die fossilen Energien überhaupt erwähnt werden – und Ölstaaten wie Saudi Arabien dürften das akzeptieren. 

- Zu lesen ist weiters, dass eine "Verringerung sowohl der Nutzung als auch der Förderung von fossilen Energieträgern" vorgesehen ist, das sollte auf eine "gerechte, geordnete" Weise geschehen, um "bis, vor oder um 2050" Treibhausgasneutralität zu erreichen.

- Vielleicht noch wichtiger: Die Rede ist weiters von einer Verdreifachung der Erneuerbaren Energien weltweit bis 2030. Die Logik dabei ist, dass man ja unmöglich ein fossiles Ende verlangen kann, ohne dafür entsprechende klimaneutrale Energien massiv voranzutreiben. Schwieriger ist der Aufruf, bis 2030 die Energieeffizienz zu verdoppeln – da bleibt unklar, wie das Ziel quantifiziert werden soll.

- Zumindest anerkannt werden wissenschaftlich begründete Emissionsreduktionsziele, genannt wird Minus 43 Prozent bis 2030, Minus 60 Prozent bis 2035 und Netto-Null bis 2050, alles im Vergleich zu den Emissionen von 2019. Verbindliche Ziele sind das aber nicht.

Der Großteil der Staaten ist unzufrieden bis massiv unzufrieden, weil der Text zu schwach sei. Für die EU erklärte Klimakommissar Wopke Hoekstra seine Enttäuschung über den Text, Österreichs Klimaministerin Leonore Gewessler befand, dass der „vorgelegte Entwurf dem Ernst der Lage nicht gerecht wird. Hier gehört jetzt dringend nachgebessert und das werden wir einfordern.“ 


Eine Gruppe von Ländern, darunter Australien, die USA (größter Erdölproduzent der Welt!), Großbritannien, Kanada und Japan, hat erklärt, sie seien "nicht bereit, Unterzeichner von 'Todesurteilen' für kleine Inselstaaten zu sein", und forderten ein stärkeres Abkommen zum Umgang mit fossilen Brennstoffen und zur Bewältigung der Klimakrise. Da geht es einmal mehr um das 1,5°C-Ziel, das als lebenswichtig für niedrig gelegene Inseln gesehen wird.

Noch heftiger die Reaktion der Klima-NGOs – und der Klimawissenschaft.

Professor Jean-Pascal van Ypersele, der Klimaphysiker ist Vice-Chair des IPCC, schrieb:


 „Der Text ist ein Denkmal der Schizophrenie: Zunächst erkennt er die zahlreichen und gigantischen Lücken zwischen dem, was nötig ist, und dem, was bisher geleistet wurde. Diese Lücken bestehen in allen Bereichen: Emissionsreduktionen, Anpassung, Klimafinanzierung durch entwickelte Länder, Kapazitätsaufbau, Ökologisierung des Energiesystems ...

Und dann, nach einer so klaren Diagnose, beschließt er fast nichts.

Es ist frappierend, dass dieser Entwurf eines "Entscheidungstextes" 115 Vorkommen der Verben "anerkennen", "erkennen" und "feststellen" enthält, während das Verb "beschließen" nur fünfmal und im Zusammenhang mit geringfügigen Themen verwendet wird.

Es scheint eine völlige Diskrepanz zwischen der Diagnose und der Behandlung zu geben. Die Diagnose lautet auf eine potenziell tödliche Krebserkrankung, hervorgerufen durch den Missbrauch fossiler Brennstoffe. Die empfohlene Behandlung ist eine Mischung aus Wunschdenken und Zauberei.

Zu sagen, dass die Regierungen aufgefordert werden, Maßnahmen zu ergreifen, die "unter anderem" die "Reduzierung des Verbrauchs und der Produktion fossiler Brennstoffe umfassen könnten, um bis 2050 im Einklang mit der Wissenschaft Netto-Null zu erreichen", bedeutet in Wirklichkeit, die Wissenschaft zu vernachlässigen, die besagt, dass alles andere als ein fast vollständiger Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen bis 2050 die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels mit einer ernsthaften Wahrscheinlichkeit nicht zulassen wird.“

Der Guardian holte sich andererseits eine schnelle Einschätzung von Avinash Persaud, einem Berater und bekannten Klimaökonom, der meinte: Dies ist kein schlechter Text. Einige werden enttäuscht sein über die fehlende Klarheit beim Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, aber dieser Text erkennt die Realität an, dass man fossile Brennstoffe nicht auslaufen lassen kann, bevor man nicht massive Investitionen in erneuerbare Energien getätigt hat, wofür enorme Finanzströme benötigt werden.

Dieser Text legt einen Plan für einen großen Anstieg der erneuerbaren Energien vor, den wir wirklich mit finanziellen Beiträgen untermauern müssen. Um zu einem Ausstieg zu gelangen, braucht man Finanzierung, die wiederum die Investitionen in erneuerbare Energien ermöglicht. Sich also auf einen Ausstieg ohne Finanzierung und erneuerbare Energien zu konzentrieren, wäre nicht machbar. Was bedeutet ein Ausstieg, wenn man nicht die Mittel zur Umsetzung bereitstellt?

Wir können mit diesem Text leben, solange wir hier mit dem Verständnis gehen, dass dies eine massive Investition in erneuerbare Energien in Entwicklungsländern bedeutet. Das ist der einzige Weg zu einem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen."

Das Spannende dabei ist, inwieweit Chefverhandler Al Jaber den nun vorliegenden Entwurf verschärfen kann, sodass auch die vulnerablen Staaten zustimmen können, aber nicht so weit zu verschärfen, dass Ölstaaten wie die Saudis oder Russland nein sagen. Grund: UN-Konferenzen verlangen einen Konsens über das Schlussdokument, es darf also niemand dagegen sein.

Die nächsten 24 bis 48 Stunden werden also noch spannend.

Das müssen sie sogar, denn spätestens am Freitag soll am Gelände der Klimakonferenz ein irgendwie weihnachtlich anmutendes „Winterland“ mit Rentieren und künstlichem Schnee eröffnet werden. (Siehe hier)

Bleiben Sie gesund,

Ihr Bernhard Gaul

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Kaum jemand spricht so gerne über ein Thema wie unser Kollege Bernhard Gaul über das Thema Klima. Jeden zweiten Mittwoch also widmet er sich in seinem neuen Podcast einer Klima-Frage, die ihn besonders beschäftigt und gibt dazu mögliche Antworten. Er zeigt konstruktive Lösungsansätze für jeden, der selbst auch einen Beitrag für den Klimaschutz leisten möchte.  

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